Diese Songs aus der Feder einer gewissen Mia Brentano haben schon jetzt einen Bekanntheitsgrad erzielt, von dem die meisten zeitge- nössischen Komponisten nur träu- men können. Das liegt nicht zuletzt am cleveren Marketingkonzept. Denn die Stücke wurden gleich nach Veröffentlichung der Noten-Edition vom Klavierduo Benyamin Nuss & Max Nyberg eingespielt – die CD wird zur Edition mitgeliefert – und in zahlreichen Aufführungen landauf- landab vorgestellt. Wer sich auf die Suche nach der Komponistin Mia
Brentano macht, steht allerdings auf ziemlich verlorenem Posten. Im Booklet der mitgelieferten CD findet man kein Wort zu dieser mysteriösen Tonschöpferin, und bei Wikipedia kann man sich so lange durchkli- cken wie man will – keine „Mia B“, nirgends. Kein Wunder: hinter Mia Brentano steht der Komponist und Musikwissenschaftler Klaus Martin Kopitz (* 1955) aus Stendal. Und wenn man von dort aus ca. 200
Kilometer gen Norden fährt, kommt man unweigerlich nach „Hidden Sea“, besser bekannt als Hiddensee. Alles klar? Musikalisch fährt Kopitz von Anfang an zweigleisig. Als Meis- terschüler des Komponisten Paul- Heinz Dittrich widmet er sich der Neuen Musik, gleichzeitig schreibt er Musik für Film und Schauspiel.
Mit „Hidden Sea“ fährt er eindeutig auf Gleis 2. Einige der 20 Piano- Songs sind so eingängig, dass man sie schon beim ersten Hören mitpfei- fen kann. Es ist ein sehr professionell geschüttelter Cocktail aus Jazz, Pop, Bar-Musik, Film und einer Prise Klassik. Einige Stücke gehen direkt in den Bauch. Kopitz weiß ganz genau, wie er die Glückshormone des Hö- rers zum Tanzen bringt: Hier ein schmachtendes, von leuchtenden Diskantgirlanden umrahmtes Blue- Note-Seufzermotiv, dort ein vom süd- amerikanischen elan vital getriebe- ner Begleitrhythmus, dann wieder Musik von fast volkstümlicher Schlichtheit über einem Meer von wogenden Achtelnoten, und all dies auf dem Fundament einer süffigen Jazz-Pop-Harmonik, die mit cooler Eleganz gehandhabt wird. Alle Stü- cke sind, auch wenn sie manchmal wie improvisiert klingen, bis auf die letzte Sechzehntelpause auskompo- niert. Kopitz kennt natürlich seine klassisch-romantischen Pappenhei- mer und hat sie vollkommen verin- nerlicht. Das prägt seine Kompo- sitionen vom soliden Handwerk bis zur perfekt sitzenden Form. Zweifel-
los wären die Stücke nicht so wir- kungsvoll, wenn der Komponist sie nicht so klangvoll-stimmig und so überaus pianistisch gesetzt hätte. Dass er dafür gleich zwei Instrumen- te beansprucht, ist vollkommen ge- rechtfertigt. Kopitz holt aus den Ins- trumenten heraus, was nur heraus- zuholen ist und erzielt eine Fülle des Wohllauts, die süchtig macht. „Für zwei Klaviere kann man eigentlich alles komponieren, ohne sich Beschränkun- gen auferlegen zu müssen“, schreibt er im Booklettext zur CD. Weil das auch für die spieltechnischen Anforderun- gen gilt, werden sich wohl nur erfah- rene Klavierduos auf diesem verbor- genen See über Wasser halten kön- nen. Sie sollten dann aber eher über dem Wasser schweben als darauf wild herumzupaddeln.